Aphorismen von Georg Christoph Lichtenberg im November 2009Home

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Aphorismen von Georg Christoph Lichtenberg

Georg Christoph Lichtenberg (1743-1799) gilt als Begründer des deutschsprachigen Aphorismus. Er war Mathematiker und Physiker, Schriftsteller und Satiriker der Aufklärung, sowie Hochschullehrer in Göttingen. Körperlich geschwächt und behindert, war er berühmt für seinen Scharfsinn und seine Empfindsamkeit.
Lichtenberg hilft immer. - Wikipedia: Lichtenberg

Lesen Sie hier die Oktober-Dezember-Aphorismen

Georg Christoph Lichtenberg. Klicken Sie, um das Bild zu vergrößern.

Der erste Twitterer?

Es waren eigentlich nur 2 Personen in der Welt, die er mit Wärme liebte, die eine war jedesmal sein größter Schmeichler, und die andere war er selbst.
(30. November 2009)

Mein Mistrauen gegen den Geschmack unserer Zeit ist bey mir vielleicht zu einer tadelnswürdigen Höhe gestiegen. Täglich zu sehen wie Leute zum Nahmen Genie kommen, wie die Keller Esel (d.i. Kellerassel) zum Namen Tausendfuß, nicht weil sie so viele Füße haben, sondern weil die meißten nicht bis auf 14 zählen wollen, hat gemacht, daß ich keinem mehr ohne Prüfung glaube. (29. November 2009)

Leute die in 10 Jahren keine Geistes Speise zu sich genommen, ausser ein paar Journal Grümchen, giebt es selbst unter Professoren, und ist gar keine Seltenheit. (28. November 2009)

Vorstellungen sind auch ein Leben und eine Welt. (27. November 2009)

Nicht die Lügen, sondern die sehr feinen falschen Bemerckungen sind es die die Läuterung der Wahrheit aufhalten. (26. November 2009)

Ich gehe oft, wenn ein Bekannter vorbeygeht, vom Fenster weg, nicht sowohl um ihm die Mühe einer Verbeugung, als vielmehr mir die Verlegenheit zu ersparen zu sehen, daß er mir keine macht. (25. November 2009)

Daß ich etwas, ehe ich es glaube, erst durch meine Vernunfft laufen lasse ist mir nicht ein Haar wunderbarer, als daß ich erst etwas im Vorhof meiner Kehle kaue, ehe ich es hinunter schlucke. Es ist sonderbar so etwas zu sagen und für unsere Zeiten zu hell, aber ich fürchte es ist für 200 Jahr, von hier ab gerechnet, zu dunckel. (24. November 2009)

Wir sehen, ein jeder, nicht blos einen anderen Regenbogen, sondern jeder einen anderen Gegenstand und jeder einen anderen Satz als der andere.
(23. November 2009)

...laßt euch euer Ich nicht stehlen, das euch Gott gegeben hat, nichts vordencken und nichts vormeinen, aber untersucht euch auch erst selbst recht, und widersprecht nicht aus Neuerungssucht. Hierzu ist Gelegenheit überall ohne griechisch und ohne latein und ohne englisch. Die Natur steht euch allen offen... (22. November 2009)

Es regnet allemal wenns Jahrmarckt ist, oder wenn wir Wäsche trocknen wollen. Was wir suchen ist immer in der letzten Tasche in die wir die Hand stecken. (21. November 2009)

Es regnete so starck, daß alle Schweine rein und alle Menschen dreckig wurden. (20. November 2009)

Man sollte seinem Gefühl folgen und den ersten Eindruck, den eine Sache auf uns macht, zu Wort bringen. Nicht als wenn ich Wahrheit so zu suchen riethe, sondern weil es die unverfälschte Stimme unserer Erfahrung ist, das Resultat unserer Bemerckungen, da wir leicht in Pflichtmäßiges Gewäsch verfallen, wenn wir erst nachsinnen.... (19. November 2009)

Der Mensch denckt Wunder, wer er wäre, wenn er die Milbe einen Elephanten und die Sonne einen Funcken nennt. (18. November 2009)

Sagt, ist noch ein Land ausser Deutschland, wo man die Nase eher rümpfen lernt als putzen? (17. November 2009)

Hüte dich, daß du nicht durch Zufälle in eine Stelle kommst, der du nicht gewachsen bist, damit du nicht scheinen must was du nicht bist, nichts ist gefährlicher und stört alle innere Ruhe mehr, ja ist aller Rechtschaffenheit mehr nachtheilig als dieses, und endigt gemeiniglich mit einem gäntzlichen Verlust des Credits. (16. November 2009)

Nichts kan mehr zu einer Seelen Ruhe beytragen, als wenn man gar keine Meinung hat. (15. November 2009)

Er war ein solcher aufmercksamer Grübler, ein Sandkorn sah er immer eher als ein Hauß. (14. November 2009)

Man muß nie dencken, dieser Satz ist mir zu schwer, der gehört für die grosen Gelehrten, ich will mich mit den andern hier beschäfftigen. Dieses ist eine Schwachheit die leicht in eine völlige Unthätigkeit ausarten kann. Man muß sich für nichts zu gering halten. (13. November 2009)

Man muß keinem Werk, hauptsächlich keiner Schrift die Mühe ansehen, die sie gekostet hat. Ein Schriftsteller der noch von der Nachwelt gelesen seyn will muß es sich nicht verdrüßen lassen, Wincke zu gantzen Büchern, Gedancken zu Disputationen in irgend einen Winckel eines Capitels hinzuwerfen, daß man glauben muß, er habe sie zu tausenden wegzuschmeißen. (12. September 2009)

Bey mir liegt das Herz dem Kopf wenigstens um einen gantzen Schuh näher als bey den übrigen Menschen, daher meine grosse Billigkeit. Die Entschlüsse können noch gantz warm ratificirt werden. (11. November 2009, Anspielung auf seine geringe Körpergröße)

Vergangener Schmertz ist in der Erinnerung angenehm, vergangenes Vergnügen auch, künftiges Vergnügen wieder, auch gegenwärtiges, also ist nur der zukünftige und gegenwärtige Schmertz was uns quälet; ein merckliches Uebergewicht von Seiten des Vergnügens in der Welt... (10. November 2009)

Ein gewisser Freund den ich kannte pflegte seinen Leib in drey Etagen zu theilen, den Kopf, die Brust und den Unterleib, und er wünschte öfters, daß sich die Hausleute der obersten und der untersten Etage besser vertragen könnten. (9. November 2009)

Auf ein schönes Mädgen, das in der Kirche sehr andächtig war. Andächtiger und schöner als Lucinden / Wird man nicht leicht ein Mädgen beten sehn; / In jedem Zug lag Reue für die Sünden / Und jeder reizte zum Begehn.
(8. November 2009)

Es giebt eine Art Vögelchen, die in die dicksten hohlen Bäume Löcher hacken, die trauen ihren Schnäbeln so viel zu, daß sie allemal nach jedem Hieb auf die entgegengesetzte Seite des Baumes gehen sollen um zu sehen, ob der Streich nicht durch und durch gegangen sey. (7. November 2009)

Ihr Unterrock war roth und blau sehr breit gestreift und sah aus, als wenn er aus einem Theater-Vorhang gemacht wäre. Ich hätte für den ersten Platz viel gegeben, aber es wurde nicht gespielt.
(6. November 2009)

In dem Haus, wo ich wohnte, hatte ich den Klang und die Stimmung jeder Stufe einer alten höltzernen Treppe gelernt, und zugleich den Tackt, in welchem jeder meiner Freunde, der zu mir wolte, schlug, und, ich muß gestehen, ich bebte allemal, wenn sie von einem paar Füßen in einem mir unbekannten Ton heraufgespielt wurden. (5. November 2009)

Der Bauer, welcher glaubt, der Mond sey nicht größer als ein Pflug, denckt niemals daran daß in einer Entfernung von einigen Meilen eine gantze Kirche nur wie ein weiser Fleck aussieht, und daß der Mond hingegen immer gleich groß erscheint. Was hemmt bey ihm diese Verbindung von Ideen, die er eintzeln alle hat? Er verbindet in seinem gemeinem Leben auch wirkliche Ideen villeicht durch künstlichere Bande, als diese. Diese Betrachtung solte den Philosophen aufmerksam machen, der villeicht noch immer der Bauer in gewissen Verbindungen ist. Wir dencken früh genug, aber wir wißen nicht daß wir dencken, so wenig als wir wissen daß wir wachsen oder verdauen, viele Menschen unter den gemeinen erfahren es niemals. Eine genaue Betrachtung der äusseren Dinge führt leicht auf den betrachtenden Punkt, uns selbst, zurück und umgekehrt wer sich selbst einmal erst recht gewahr wird geräth leicht auf die Betrachtung der Dinge um ihn. Sey aufmerksam, empfinde nichts umsonst, messe und vergleiche; dieses ist das gantze Gesetz der Philosophie. (4. November 2009)

Wie glücklich würde Mancher leben, wenn er sich um anderer Leute Sachen so wenig bekümmerte, als um seine eigenen. (3. November 2009)

Ich mag immer den Mann mehr lieben, der so schreibt, wie es Mode werden kann, als den, der so schreibt, wie es Mode ist. (2. November 2009)

Es gibt ein Sprüchwort im englischen, das heißt: er ist zu dumm um ein Narr zu werden. Es steckt viel feine Bemerckung hierinn. (1. November 2009)

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Dieter Müller
DerBruchsaler

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